NEWSLETTER #8 zum Frühjahr 2017

Wolfgang Weigand, Rituale & Coaching



Aus dem Inhalt:

● Zum Frühling: Zirkularität und Wunder
● Gedanken zu L(i)eben und Sterben
● In eigener Sache



Frühling ohne Grund

Dem Leben trauen
weil es voller Liebe ist
Dem Frühling entgegengehen
weil sich Blüten öffnen
Die Zukunft wagen
weil sich Wege erschliessen

Die Wärme spüren
Weil uns Küsse bedecken
Die Weite erleben
Weil es so viele Freiräume gibt
Das Lachen entdecken
Weil Tage voller Heiterkeit kommen

Viele Gründe
für lebendige Herzen
für leidenschaftliche Stunden
für angstlose Nähe

wenn die Zeit still steht
und die Vögel im Garten
das Wunder des Neubeginns
besingen
scheinbar
ohne Grund

(Wolfgang Weigand)
 



Lieber Leser, liebe Leserin dieses Newsletters

Zirkularitätsprinzip und Wunder

Haben Sie schon mal vom systemischen Beratungsansatz im Coaching oder in der Therapie gehört? Der Klient und sein Beziehungssystem stehen im Mittelpunkt. Systemische Sichtweisen verstehen die Probleme von Menschen im Kontext ihrer biographisch bedingten Entwicklung sowie der sozialen Vernetzung in ihrem privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld.

Zirkularität bedeutet in diesem Kontext, dass in komplexen sozialen Prozessen zwischen Ursache und Wirkung nicht klar unterschieden werden kann. Jedes Verhalten einer Person (in der Familie, im Unternehmen, in der Beziehung etc.) wirkt auf das der anderen, und deren Reaktionen wiederum auf die Person zurück.

So wird nicht nach „Schuldigen“ oder nach den „Auslösern“ einer Situation gesucht, weil alles mit allem verbunden ist. Es geht also um Wechselbeziehungen. Und darauf, sich auf Lösungen, und nicht mehr auf die Probleme, zu konzentrieren!

Menschen haben in der Regel alles, was sie brauchen, um ihre Probleme zu lösen. Und manchmal hilft einfach die „Wunderfrage“, wie wir sie von Steve de Shazer und seiner lösungsorientierten Therapie kennen: „Angenommen, Dein Problem wäre wie durch ein Wunder gelöst. Was genau wäre das Wunder und woran würdest Du merken, dass das Wunder geschehen ist?“ Die meisten Menschen können diese Frage beantworten!
Zudem gibt es in diesem lösungsorientierten Ansatz drei banal scheinende, aber sehr wirkungsvolle Leitsätze (easy, but not simple…).

  1. Repariere nicht, was nicht kaputt ist!

  2. Wenn etwas funktioniert, mache mehr davon!
    (Der lösungsorientierte Ansatz sucht gezielt nach den Ausnahmen, in denen das Problem abwesend oder schwächer ist, und versucht diese zu verstärken.)

  3. Wenn etwas nicht funktioniert, wiederhole es nicht. Mach etwas anderes!

Ja, machen wir etwas anders! Wir erleben jetzt die Wärme des Frühlings – Zeit der Aussaat im Garten, Zeit für das Pflanzen, vielleicht auch Gelegenheit, einmal neue Perspektiven und Horizonte zu denken. Und am nächsten Wochenende feiern wir, seit dem Jahr 325 immer am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond, auch noch das Osterfest. Es geht um Auferstehung, Neuanfang, Abschied vom „Toten“ und vom Leblosen, Wieder-ins-Leben-finden, ja vielleicht auch um Entwicklung. Ich wünsche dir, euch und Ihnen für dieses Fest und für die Frühlingszeit viel von dieser Transformationsenergie. Und vielleicht immer wieder auch etwas Bewusstsein für die Zirkularität, dass alles mit allem verbunden ist…



Herzlichst

Wolfgang Weigand
 





Vom L(i)eben…


Von Push-Pull-Beziehungen, (Un-)Glaubenssätzen und freier Liebe

„Stellen Sie sich vor, dass Sie ein Vogeljunges aufheben, das aus seinem Nest gefallen ist. Wenn Sie es zu fest halten, zerdrücken Sie es. Wenn Sie es zu locker halten, fällt es auf die Erde. (...) Das sind die zwei entscheidenden Aspekte des Haltens: Kontakt und Raum. Kontakt beinhaltet Begegnung, Berühren, Verbindung. Aber guter Kontakt allein ist nicht genug. Kinder müssen auch Raum bekommen – Raum, sie selbst zu sein.

Wenn Eltern aufdringlich sind und nicht genug Raum bieten, dann wachsen Kinder mit der Angst auf, durch engen Kontakt kontrolliert oder manipuliert zu werden. Wenn aber Eltern keinen warmherzigen Kontakt bieten, befürchten die Kinder, dass Beziehungen zu Vernachlässigung oder Liebesentzug führen. Das erstere führt zum Rückzug in Beziehungen, das weite eher zum Klammern (…). Viele Menschen leiden unter beidem, was zu „Push-Pull-Beziehungen“ führt, in denen der eine Partner verfolgt, wenn der andere sich wegbewegt, sich dann aber zurückzieht, wann der andere ihm entgegenkommt….“, so schreibt der buddhistische Psychotherapeut John Wellwood.

Hier ist nicht die von Flirt-Coachs propagierte Technik von „wirkungsvoll Komplimente streuen“ gemeint, sondern das tatsächliche „Ping-Pong-Spiel“ in Beziehungen, ja in Freundschaften generell. Nähe und Distanz, „Heranziehen“ und „Wegstossen“ wechseln sich ab, was inspirierend sein kann, aber auch anstrengend oder gar verletzend. Dabei wäre es eigentlich so einfach: die Fähigkeit zur Liebe, zur Begegnung, zur richtigen Balance zwischen Nähe und Distanz liegt
in uns, weil wir liebe-volle und liebens-würdige Menschen sind. Wenn wir das nicht glauben, liegt es oft an alten Glaubenssätzen bzw. in diesem Fall: „Unglaubenssätzen“.

Glaubenssätze sind geprägt durch Gewöhnungen, durch Autoritäten oder durch bestimmte emotionale Erlebnisse oder Zäsuren. Da sie auf Erinnerungen oder gewachsene Einstellungen beruhen, sind sie eigentlich Geschichten des Verstandes, deren wir uns kaum bewusst sind. Wir verwechseln die Wahrnehmung mit der Realität, oder, wie es Richard Bandler sagt, die Landkarte mit der Landschaft. Bewusstheit für den Moment, für den Augenblick der Begegnung ist wichtig: was höre, spüre, fühle, sehe, rieche ich in diesem Moment?
Glaubenssätze muss man demzufolge nicht unbedingt analysieren und biografisch zuordnen (Vergangenheit) oder nach neuen Denkmustern suchen (Zukunft), sondern im Augenblick sich bewusst werden, dass Sie diesen Moment frei und unbeengt leben, denken, handeln und lieben können.

Oder anders formuliert: Das Aussteigen aus alten beengenden Denkkonzepten oder Glaubenssätzen gelingt nicht in erster Linie über die „Aufarbeitung“ bisheriger Prägungen in Ihrem Leben, sondern über die bewusste Annahme einer Situation, wie sie sich gerade in diesem Moment, also im Hier und Jetzt, zeigt. Vielleicht haben wir die Lösung immer wieder schon längst in unseren Händen! Und dafür könnte man dankbar sein – oder zumindest wertschätzend, wie John Wellwood an anderer Stelle schreibt:
Solange ich nicht wertschätzen kann, was ich zu bieten habe, setze ich dem, was durch mich kommen möchte, Barrieren entgegen.

Ich wünsche dir, euch und Ihnen in diesem Sinne möglichst viel Kontakt und Raum. Und wertschätzend barrierefreie Frühlingstage!





…und vom Sterben

Ein alter Mann saß in einem Bus, in seinem Arm einen wundervollen Blumenstrauss haltend. Ein junges Mädchen war fasziniert davon, schaute immer wieder zu den bunten Blüten und lächelte scheu. Kurz vor der nächsten Haltestelle stand der Mann auf, ging zu dem Mädchen und reichte ihr den Strauss: „Die Blumen sind eigentlich für meine Frau“, meinte er. „Aber ich denke, sie hätte es gerne, wenn du sie bekommst. Ich gehe jetzt zur ihr und erzähle ihr, dass ich sie dir geschenkt habe.“ Das Mädchen strahlte. Und als der Mann ausstieg, sah sie ihm noch nach. Er verschwand durch ein Tor, welches zu einem kleinen Friedhof gehörte.

Diese berührende Geschichte zeigt etwas Wesentliches: Freundschaft mit den Lebenden und mit den Verstorbenen ist möglich. Und Achtsamkeit für eine Begegnung erschliesst völlig neue Horizonte.
Wir wissen nicht, wie der Mann um seine verstorbene Frau trauert, nur, dass er ein junges Mädchen reich beschenkt hat. Es steht für das neue Leben, das nun der Witwer führen muss oder darf. Wir können aber annehmen, dass seine verstorbene Frau sehr grosszügig gewesen sein muss.

Sehr grosszügig ist auch Amy Krouse Rosenthal. Sie erhält im September 2016 eine schwerwiegende Krebsdiagnose ohne Heilungschancen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie seit 26 Jahren mit ihrer grossen Liebe Jason verheiratet und hat drei Kinder mit ihm. Vor kurzem verfasst sie in der New York Times eine Kontaktanzeige für ihren Jason, um nach ihrem Tod Platz für eine neue Liebesgeschichte zu machen. „You may want to marry my husband“. Er ist, so schreibt sie, sportlich, kann kochen, ist unglaublich liebevoll und aufmerksam. Er kann zynisch, aber auch sehr witzig sein, aber immer auch voller Liebe. Die Anzeige erscheint am 3. März dieses Jahres. 10 Tage später, am 13. März, stirbt Amy.

Blumen für ein Mädchen, Kontaktanzeige einer Sterbenden – es sind berührende Geschichten, die zeigen, dass die Grenzen zwischen hier und dort oft sehr fliessend sind. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: es fliesst zwischen diesen beiden Welten, wenn Liebe spürbar ist, immer wieder. Alles ist mit allem verbunden! Zirkularität - auch im Jenseits sozusagen...
 



In eigener Sache:


Roman Sterbelos – Lesung 2. Mai

Am 1. März ist bei Könighausen & Neumann (Würzburg/D) mein neuer Roman Sterbelos erschienen. Es geht ums Sterben, um die Liebe, und um die grosse weite Welt dazwischen: ein ungewöhnlicher Abschied und eine ebenso ungewöhnliche Liebe. Näheres zum Inhalt findet sich hier.

Am
Dienstag, 2. Mai, um 19.45 Uhr, sind Sie herzlich eingeladen zu einer Lesung aus Sterbelos – im Bistro Dimensione an der Neustadtgasse 25 in Winterthur. Türöffnung ist um 19 Uhr; Eintritt frei / Kollekte.

Voranzeige: Am Donnerstag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, bin ich zu Gast im Parterre 33 in St.Gallen.
Weitere Termine folgen.


Café Goodbye

Am
Sonntag, 21. Mai, wird der Arzt und Zen-Meditierender Dr. med. Alex Obrecht unser Gast sein und sich dem Thema Hiobsbotschaften widmen: „Vom Umgang mit schlechten Nachrichten und schweren Krankheiten“. Wie gelingt das? Was hilft? Was wird wesentlich?

Türöffnung ist, im Bistro
Dimensione an der Neustadtgasse 25 in Winterthur, wie immer um 9.00 Uhr, um 9.30 Uhr wird dann das Café Goodbye beginnen. Sie sind herzlich eingeladen!


Kabarett „Der Tod ist doch das Letzte!“

Ich bin weiterhin unterwegs mit meinem Solo-mit-Urne-Programm. Am Freitag, 28. April, spiele ich in Romanshorn (Kath. Kirchgemeinde). Ich freue mich sehr auf euer Kommen.
Weitere Infos und Auftrittstermine finden sich wie immer
auf meiner Website.
 



Impressum:

Wolfgang Weigand

Rituale & Coaching
Oberer Graben 2
CH-8400 Winterthur

044 941 00 59
079 359 56 46

mailto:w.weigand@schritte.ch

www.schritte.ch
www.abschiedsfeiern.ch

Versandhinweis:
Der Newsletter erscheint vierteljährlich. Im letzten Newsletter ging es um die Espresso-Strategie, zuvor um das Anna-Karenina-Prinzip und um den Hofnarren. Wenn Sie diese Newsletter noch beziehen möchten, können Sie sie gerne unter w.weigand@schritte.ch anfordern.

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