NEWSLETTER #17

Wolfgang Weigand, Rituale & Coaching



Aus dem Inhalt:

● Von Beziehungen, Zimt, Festtagen und Nervenguetzli nach Hildegard von Bingen
● Eine uneigentliche Weihnachtsgeschichte
● In eigener Sache: Musik und sterbende Kinder im Café Goodbye, Seminarangebote,
   Denkräume, und vieles mehr…




Winterliche Erkenntnis

Die Sonne senkt sich
Grashalme erstarren
und Wege verlieren sich unter Schneekristallen

Die Musik verklingt leise
Blumen verwelken
und Gedanken neigen sich zur Erde

Die Abende kommen früher
Schwalben sind weggeflogen
und deine Briefe von früher sind längst vergilbt

Es kommt der erste Winter ohne dich
und es ist mir
als ob sich die Welt
noch einmal neu erfinden müsste
weil du
den Vögeln gefolgt bist.

(Wolfgang Weigand)
 

 



Lieber Leser, liebe Leserin dieses Newsletters

Von Beziehungen, Zimt, Festtagen und Nervenguetzli
nach Hildegard von Bingen

Liebesbeziehungen sind manchmal filigrane, verletzliche, fein ausbalancierte und immer wieder auf dem Prüfstand stehende Nähekonstellationen zwischen zwei Menschen, die sich gegenseitig inspirieren, begehren, herausfordern, in Frage stellen, sich Mut machen und sich dazu einladen, miteinander im Leben unterwegs zu sein. Ein Heer von Paartherapeuten gibt gute Rezepte dafür, wie Zweisamkeit gelingt, erfüllt und lebendig bleiben lässt. Dasselbe gilt natürlich auch für Familiensysteme. Hier gibt es ebenso unterschiedliche Arten von Verbundenheit: tiefes Zusammengehörigkeitsgefühl, aber manchmal auch Verlorenheit oder Distanz.

Die kommenden Festtage sind für viele Menschen deswegen nicht nur Freude, sondern auch Herausforderung: wie (er)leben wir unser Zusammensein? Welche Erwartungen, Bilder und Vorsätze leiten uns, wie diese Tage sein sollten? Was will „neu geboren“ oder im neuen Jahr aufgegleist werden?

Liebesbeziehungen und Familien funktionieren manchmal so ähnlich wie ein Rezept. Diverse Zutaten sind zwar vorgegeben und haben ihre jeweiligen Funktionen. Wichtig jedoch bleibt, was wir daraus machen. Bewusstsein und Wertschätzung für die einzelnen Zutaten tun immer wieder gut.
Manche sind besonders teuer oder exotisch - oder sogar „heilig“: zum Beispiel Zimt.

Zimt ist ein Gewürz aus der getrockneten Rinde verschiedener Zimtbäume und wurde bereits 2000 v. Chr. in China und Indien verwendet. Ägypter benutzten es zur Einbalsamierung und als Räuchermittel. Bei den Römern fand es Eingang in die Medizin und als Aphrodisiakum. Erst später wurde es zum besonders kostbaren Gewürz, um das sogar Handelskriege geführt wurden. Zimt ist würzig, herb, etwas süss – sein einzigartiges Aroma begleitet uns besonders in der Weihnachtszeit. Und Zimt wird eine heilende sowie liebesfördernde Wirkung nachgesagt: er desinfiziert, löst Krämpfe, lindert Entzündungen (z.B. bei Rheuma) und hat ebenso eine beruhige, stimmungsaufhellende Wirkung. In der chinesischen Medizin hilft Zimt bei Anspannung und Kreislaufschwäche, in der Aromatherapie regt er Inspiration und Kreativität an. Und Zimt findet Verwendung in einem alten klassischen Rezept nach Hildegard von Bingen: es sind die sogenannten Gewürzguetzli, auch Nervenguetzli genannt. Sie können es gerne mal ausprobieren!
» Link zum Rezept

So gibt es auch bei unseren Lieben sehr wertvolle Facetten. Die grosse Kunst ist, immer wieder neu hinzuschauen, welche als Geschenk und Inspiration erlebt werden, vielleicht auch als Herausforderung oder sogar Horizonterweiterung.

Ich wünsche Dir, euch und Ihnen für die kommenden Weihnachtstage und den Jahreswechsel gelingende, wohlschmeckende und heilsame Momente des Rückzugs und der Atempause, aber auch inspirierende Begegnungen und einladende Tischgemeinschaften. Und gute Nerven – ob mit oder ohne Hildegard-Guetzli.

mit vorweihnachtlichen Grüssen



Ihr Wolfgang Weigand


 



Vaterliebe - eine uneigentliche Weihnachtsgeschichte

Weihnachten verbindet sich oft mit romantischen Vorstellungen von Familienleben, Nähe und Liebe. Bemerkenswert ist, unter welchen Umständen Menschen auch dann in Verbindung bleiben können, wenn diese Liebe unter erschwerten Bedingungen gelebt werden muss.

Am 24. März 2015 stürzt ein Flugzeug der Germanwings in den französischen Alpen ab. Alle 150 Passagiere finden den Tod, u.a. auch der Co-Pilot Andreas Lubitz. Im Lauf der Zeit wird es klar, dass dieser offenbar aufgrund seiner Depression einen erweiterten Suizid beging und die Maschine mit Absicht abstürzen liess. Der Vater von Andreas ist von der Unschuld überzeugt und hat für seinen Sohn ein Webportal unter dessen Namen erstellt. Zu gleichen Zeit des Absturzes erzählt mir ein Bekannter, dass er soeben seinen Sohn im Gefängnis besucht hat. Dieser sitzt eine lebenslängliche Strafe ab, weil er einen Mord begangen hat. Wie geht ein Vater mit der Schuld seines Kindes um? Was passiert mit der elterlichen Liebe?

Beides hat mich inspiriert zu der Erzählung
„Vaterliebe“. Sie ist eine etwas unkonventionelle Weihnachtsgeschichte in Form eines Briefes – und eine kleine Reflexion über Erlösung und (Neu-) Geburt.


Lieber Andreas

Ich sehe dich vor mir, wie wir damals zusammen das Moos für die Weihnachtskrippe geholt haben. Ich habe dir die Bäume erklärt, wie sie heissen und woran man sie erkennt, und wie die Blätter aussehen, die jetzt schon längst gefallen sind für den Winter. Und ich habe dir die Stellen gezeigt, wo es meistens dunkel und feucht ist und wo man somit das schönste Moos findet (...). Du warst vier oder fünf, bist mit mir an der Hand fröhlich über die Baumstümpfe im Hagendorfer Wald gesprungen. Und dann hast du dich immer wieder versteckt hinter den Holzreihen unserer Waldgenossenschaft, und hast Papa gerufen, und bis ich dich gefunden hatte, warst du schon auf den Holzstoss hochgeklettert, bist heruntergesprungen in meine Arme, und dein quietschendes Lachen hat sich im Wald ausgebreitet (...)

Hier im Wald beim Moossuchen warst du mein glückliches, zufriedenes Kind, das meine Hand festhielt und sich immer wieder von mir auffangen und schaukeln liess. Du und Papa, und in diesen Momenten hätte ich fast traurig sein können, wenn ich auch nur daran dachte, dass sich irgendetwas zwischen uns schieben könnte (...) Und dann sind wir nach Hause gegangen, und wir haben die Moosstücke auf alten Zeitungen neben dem Herd in der Küche gelegt zum Trocknen, und haben in der Zwischenzeit die Weihnachtskrippe aufgebaut (…)

Ich habe neulich von Günter Lubitz gelesen. Sein Sohn heisst genauso wie du, du hast das bestimmt hinter deinen Mauern mitbekommen. Er möchte jetzt das Bild des psychisch kranken Massenmörders um jeden Preis korrigieren. Denn er kann es nicht mit seinem Bild vom eigenen Sohn zusammenbringen, so stand es überall in den Zeitungen. Ich habe es dann im Fernsehen gesehen, wie sich die Angehörigen dort versammelt haben am Ort, wo der Airbus 320 zerschellt war, und sie haben ein Denkmal eingeweiht, das an die 149 Opfer erinnern soll, aber einer der Toten hat gefehlt, und das war eben der Co-Pilot, der Andreas, sein Andreas, der die Maschine absichtlich in den Berg gesteuert hat. Und überall habe ich den Satz gelesen: Ein Täter kann kein Opfer sein. Und dieser Satz hat mich immer wieder aufgewühlt, verstehst du, Andreas?

Können Eltern es ertragen, dass ein geliebtes Kind zum Mörder wird? Ein Kind, das früher der kleine Junge gewesen ist, mit dem ich Moos im Wald geholt habe und den Weihnachtskrippenzaun reparierte. Ein Junge, dem ich manchmal in den sternenklaren Nächten auf dem Dachboden durch die Luke hinaus mit dem Teleskop den Grossen Bär und den Adler und den Grossen Wagen gezeigt habe und der mit offenem Mund den ganzen Himmel mit mir entdecken wollte. Ein Mörder? Nur 20 Jahre später, derselbe Mensch, der mein Junge war und es noch immer ist? (...)

Manchmal frage ich mich, wie das ist mit der Schuld und mit der Sühne, ob man einfach mal beichten kann oder ins Gefängnis gehen für einige Zeit, und dann ist alles wieder gut? Neulich wurde das Evangelium von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel durch Jesus vorgelesen. Während der Predigt war ich plötzlich in meiner eigenen Gedankenwelt. Ich habe mir vorgestellt, dass Jesus damals einen dieser Händler so unglücklich gestossen haben könnte in seiner Wut und im Ärger über die Entweihung des Tempels, dass dieser mit dem Kopf aufgeschlagen und tödlich verunglückt wäre. Und Jesus als Sohn Gottes, als einziger Sohn, wäre zum Mörder geworden, schuldig in den Augen der Menschen und auch des einzigen Gottes, und dieser wäre dann ebenfalls schuldig geworden, weil man den Vater eines Mörders immer auch selber verdächtigt, bezichtigt, er sei ja sozusagen genetischer Teil der Tat, zumindest hätte die Erziehung oder sonst Grundlegendes im Leben sträflich versagt. Und dann hätte es keinen Kreuzestod als Sühne gegeben, weil Jesus ja selber Täter gewesen wäre, und Gott im Himmel hätte sich verschämt von den Menschen zurückgezogen, die er eigentlich mit der Opfergabe seines Sohnes erlösen wollte, und man hätte ihn vergessen und regelrecht totgeschwiegen (…) Und er wäre in der Versenkung verschwunden, und vielleicht hätte ihm der Vater dann auch die Fähigkeit zum Heilen und zum Vollbringen von Wundern wieder entzogen aus Scham oder aus Strafe, und Jesus hätte demzufolge keine grosse Anhängerschar an sich binden können und er wäre eine Randnotiz der Weltgeschichte geblieben, an die sich heute kaum jemand erinnert, und seine Tat damals im Tempel wäre längst vergessen wie auch die vielen anderen Geschichten über ihn. (...)

Und vielleicht hätte sich dann auch die Welt anders entwickelt, und es hätte keine späteren Religionskriege gegeben, und es hätte friedlicher zugehen können in der Geschichte, und vielleicht wäre dann auch das alles mit dir, lieber Andreas, nicht so oder zumindest anders passiert. Und es hätte keinen Prozess gegeben gegen dich, und Natalie würde noch in deinem Leben sein. Und vielleicht hättet ihr irgendwann geheiratet, und heute würde ich Grossvater sein und wieder in den Wald gehen mit meinem Enkel. Und er würde Peter heissen oder Felix, so hätte ich mein Kind genannt, oder auch Beate, wenn wir nach dir noch eines bekommen hätten. Und dann würden wir wieder Moos suchen gehen und zwischen den Bäumen herumtollen. Und der Enkel würde diesmal Grosspapa rufen, und ich wäre natürlich um einiges langsamer als damals mit dir, und dann würden wir nach Hause gehen, und vielleicht hätten wir längst eine neue Weihnachtskrippe. (...)

Der Händler damals im Tempel von Jerusalem hatte wohl überlebt, vielleicht war er nur hingefallen, wieder aufgestanden und hatte verärgert seinen Verkaufstand verlassen. Alles war so weitergegangen, wie es dann gewesen ist, damals bis heute, ausserhalb und innerhalb des Gefängnisses, in dem du nun sitzt, mein lieber Andreas. Das grosse Wunder hat nicht stattgefunden, und ich werde kein Moos mehr suchen, und Peter, Felix oder Beate werden sich vielleicht andere Orte suchen, um auf die Welt zu kommen. Und meine Liebe zu dir findet keinen anderen Ort, sie ist etwas heimatlos geworden. Aber vielleicht finden sich ja irgendwann einmal Antworten auf alle unsere quälenden Fragen, weshalb das alles so geschehen ist mit dir. Günter Lubitz will dem auf die Spur kommen, und ich auch irgendwie. Vielleicht ist ein grosszügiger Vater das Letzte, worauf ein schuldig Gewordener hoffen kann? Grundlos zärtlich, ich kann nicht anders.

In Liebe noch immer, dein Vater

 





In eigener Sache:



Café Goodbye mit Isabel Witschi

Am Sonntag, 26. Januar, ist die Psychologin und Musiktherapeutin Isabel Witschi unser Gast. Sie erzählt aus ihrer Praxis am Ostschweizer Kinderspital St. Gallen; es geht um das berührende Thema: „Resonanz der Seele – Musiktherapeutische Begleitung von sterbenden Kindern“

Türöffnung ist, im Bistro Dimensione an der Neustadtgasse 25 in Winterthur, wie immer um 9 Uhr, um 9.30 Uhr wird dann das Café Goodbye beginnen. Sie sind herzlich eingeladen! Der Flyer zu allen Veranstaltungen 2020 ist
hier.
 


 

Kabarett „Keine Angst vor der Wahrheit“

Ich bin weiterhin mit meinem dritten Programm unterwegs, ein politisch-philosophisch-schräger Streifzug durch die Welt der Liebe und der Fakenews… Auftrittstermine sowie ein Filmtrailer der Premiere vom März 2019 finden sich hier. Zudem gibt es auf YouTube einen Filmtrailer zu einem Auftritt vom August 2019.
 


 

Wieder neu:
Kurs/Workshop: Patientenverfügung mit Antje Mirwald

Nach einigen Nachfragen den Kurs auch 2019 wieder anbieten, und zwar am Samstag, 25. Januar, ab 9.30 Uhr an der Mühlestrasse 5 in Winterthur. Es geht um Chancen und Grenzen der Patientenverfügung – und um den wichtigen Gesprächsprozess in den Familien. Ich werde dabei unterstützt von Antja Mirwald: sie leitet das Turmhaus der Krebsliga Zürich, ist dipl. Pflegefachfrau sowie zertifizierte ACP-Beraterin.
Näheres zum Seminar sowie zur Anmeldung findet sich
hier.
 


 

Seminar für Paare und Liebe-Suchende
Vom Glück in der Liebe

Liebe ist das Thema, das uns am meisten bewegt und inspiriert, oder umtreibt und verletzt. Ist die Liebe an sich so widersprüchlich oder sind wir es selber, auf der Suche nach ihr? Was bedeutet eigentlich: sich verlieben? Wen oder was suchen wir in der Liebe? Welche Menschen ziehen wir weshalb an?

Das diesem Seminar zugrunde liegende Beziehungsmodell macht die unbewussten Mechanismen deutlich, weshalb Menschen zusammenkommen (spirituell-psychologische Dimension hinter dem "Beuteschema") oder sich auseinanderleben (sogenannte "Verrückungsprozesse" in einer Beziehung).

Dazu gebe ich wieder zwei Seminare:

  • Donnerstag, 13., bis Sonntag, 16. Februar 2020:
    Propstei St. Gerold im Vorarlberg / Ö » Details

  • Donnerstag, 20., bis Sonntag, 23. Februar 2020:
    Benediktushof Holzkirchen bei Würzburg / D »
    Details

Ich freue mich auf Ihre Anmeldung!
 


 

Und zuguterletzt: Denkräume in Bülach!

Eine Gruppe beratender, denkender, schreibender und kreativer Menschen hat sich in Bülach zusammengefunden, um einen Resonanzraum zu schaffen für ungewohnte Ideen, spirituelle Fragen und vernetztes Denken. Wir möchten Horizonte erweitern und inspirierende Wege finden, wesentliche Fragen zu diskutieren. Wir sind bereits gestartet mit unserem Jahreszyklus 2019/2010 mit
„10 Sprünge ins Wesentliche“.

Schaut doch mal vorbei auf unserer
Website.

Mein nächster Sprung (
«Gott 9.0», zusammen mit Regula Hoch) wird am Samstag, 9. Mai 2020, stattfinden. Alles weitere finden Sie hier.


 



Impressum:

Wolfgang Weigand

Rituale & Coaching
Mühlestrasse 5
CH-8400 Winterthur

044 941 00 59
079 359 56 46

mailto:w.weigand@schritte.ch

www.schritte.ch
www.abschiedsfeiern.ch

Versandhinweis:
Die älteren Newsletter sind auf www.schritte.ch aufgeschaltet!

Alle Fotos: Wolfgang Weigand

Möchten Sie keine Informationen mehr von mir erhalten, können Sie sich vom Verteiler abmelden durch Klicken auf den nachfolgenden AUSTRAGELINK.