NEWSLETTER #24 zum Frühjahr 2022 |
Wolfgang Weigand, Rituale & Coaching |
Aus dem Inhalt:
●
Zum Frühling: Weltkrisen, Koyaanisqatsi und Frühling
immer wieder
● In eigener Sache: Gedichte, Amanos-Netzwerk, Blog
trauer-now.de
Eingeständnis
(ein Frühlingsgedicht)
Ich lese
barfuss
die Kieselsteine
am Meer
in Blindenschrift,
höre im Schweigen
die Herztöne
des Universums,
suche in deinen Briefen
letzte Spuren
von Vertrauen
zwischen den Zeilen
Ich bin
Kind geblieben
der Phantasie
noch nicht
gestorben.
Und ich glaube
noch immer
an die Kraft
des Frühlings.
(Alle Gedichte von Wolfgang Weigand, Januar-März 2022)
Auslese
Wenn sich
auch nur ein Grashalm
aufrichtet
bei meinen Gedichten und
sich den nieder-
trampelnden Stiefeln und
dem Zynismus der Welt-
verächter und
den Ängsten
aufgescheuchter Seelen
widersetzt, dann
blühen
meine Worte
zwischen Mohnblumen
und Wiesenklee.
Lieber Leser, liebe Leserin dieses Newsletters
Corona, Ukraine, Koyaanisqatsi und Frühling immer wieder
Erst waren es die Flüchtlinge seit 2015, dann kam Greta
Thunberg und Friday for Future, dann die
Corona-Angst-Pandemie, jetzt der Ukraine-Krieg. Und was
wird danach kommen im Weltgeschehen? Es scheint so, als
gäbe es immer nur Platz für eine Katastrophe in der
medialen Berichterstattung und damit in unsrem Erleben
dessen, was in der Welt passiert. Eine eigenwillige
«Auslese», denn nebenbei bemerkt: über andere Kriege wie
zum Beispiel in Syrien, im Jemen oder in Afghanistan und
über vieles mehr wird seit 2 Jahren nicht mehr
berichtet. Kurt Zimmermann schreibt dazu in der
Weltwoche vom 17.3.22: «Zwei grosse Themen zur gleichen
Zeit widersprechen der Ökonomie der Aufmerksamkeit, weil
man die rare Ressource der Aufmerksamkeit nicht mit zwei
parallelen Botschaften strapazieren darf. …»
Es beschleicht uns ein Gefühl der Ohnmacht und der
Hilflosigkeit, dieser Welt nichts mehr entgegenhalten zu
können. Wir leiden am «Koyaanisqatsi», einem Wort aus
der Indianersprache für «Die Erde ist aus dem
Gleichgewicht geraten». Der gleichlautende bahnbrechende
Dokumentarfilm hat bereits 1983 – ganz in der Tradition
des Club of Rome und den Grenzen des Wachstums –
aufgerüttelt und zum radikalen Umdenken eingeladen.
Können wir zwischen Lethargie und Flucht, zwischen
Aktivitäten wie Spenden oder Flüchtlinge beherbergen und
Culture Canceling, zwischen Friedensdemos und
Schicksalsergebenheit noch etwas anderes tun? Können wir
uns immer wieder aufrichten, wie es auf dieser schönen
Postkarte mit der Königskrone lautet: Hinfallen –
Aufstehen – Krone richten – Weitergehen? Auch oder vor
allem dann, wenn wir desillusioniert werden oder uns
bedroht fühlen? Und finden wir wieder eine neue innere
Richtschnur für das, was unser Leben eigentlich ausmacht
und wovon in den letzten zwei Jahren kaum die Rede war:
Liebe, Nähe, Begegnung, Inspiration, Würde,
Freundschaft, Momente des Glücks? Und vielleicht auch
die Anerkennung des Vorläufigen, des Fragilen im Leben?
Kompromiss
Im Grossen und Ganzen
mit sich im Reinen sein
Aber was ist
mit dem Kleinen,
dem Fraktalen und
Zerbrochenen?
Auch mit sich
im Unreinen?
Also mit Schmutz oder
Scham oder Zweifel?
Also doch
lieber ehrlich sein:
hin und wieder
mit sich zufrieden.
Das wäre schon sehr viel
und wesentlich mehr
als nichts.
Eines muss klar sein: ein Krieg gegen Menschen oder
gegen ein Land ist niemals zu rechtfertigen. Im Übrigen
ist aber auch ein «Krieg» gegen die Natur oder gegen ein
Virus eine Hybris des Menschen, weil dieser niemals zu
gewinnen ist. Also friedliche Ko-Existenz mit einem
Virus – oder mit einem scheinbar verrückt gewordenen
russischen Präsidenten: wie soll das gehen?
Jahrzehntelang durften wir uns so sicher fühlen im
stetigen Zuwachs an materiellem Wohlstand, politischer
Sicherheit, scheinbaren Gewissheiten und
technologisch-digitaler Entwicklung. Seit der Pandemie
und dem Ukraine-Konflikt erscheint plötzlich alles
wieder gefährdet und löst Trauer aus –
Trauer als emotionale Reaktion auf eine
existenzielle Verlusterfahrung. Das ist verständlich.
Der Weg durch die Trauer erfordert viel Bewusstsein,
politisches Gespür, integrierende (nicht polarisierende)
Botschaften, Verständnis für andere Positionen (ohne sie
gut heissen zu müssen), eine Achtsamkeit für die
Resonanz, dafür, was wir in unserem kleinen und
grösseren Umfeld ausstrahlen. Und eine Hoffnung, dass
wir auch auf dem schmalen Grat, auf dem wir gehen, noch
immer Entscheidungsfreiheit darüber haben, wohin die
Reise gehen soll.
Gratwanderung
Bäume fällen oder umarmen
sich verletzen oder streicheln
Briefe verbrennen oder
ans Herz drücken
Wunden oder Wunder
Beides oft sehr nahe
Und ich und du
dazwischen
auf dem schmalen Grat
irgendwo
Aufbruch aus Erstarrung und winterlichem Rückzug, bunte
Krokusse nach blassgrauer Eintönigkeit, Neugierde,
Vorfreude, Lust auf den Garten, Vitalität, wieder in den
Strassencafés sitzen und sich begegnen. Das wäre der
«normale» Frühling. Ja, die Jahreszeiten zeigen uns,
dass das Leben immer wieder von vorne beginnt, in einem
ewigen Zyklus von Vergehen und Werden, von Absterben und
Aufblühen. Das ist auch jetzt im Frühling 2022 so – aber
doch auf etwas andere Weise?
Vielleicht sind die Ereignisse der vergangenen zwei
Jahre und auch der letzten Wochen tatsächlich eine
Inspiration, wieder einmal die Prioritäten im Leben, in
den Beziehungen und Freundschaften neu zu gewichten und
sich dessen bewusst zu werden, wer, wie und wozu wir
sind…
Anders geht’s nicht
Wenn ich so wäre wie du,
also nicht wie ich,
wäre ich bei dir,
aber weit weg von mir.
Weil ich da jedoch
nicht so sein kann,
wie ich bin,
bleibe ich lieber
in meiner Nähe,
also weit weg von dir.
Aber weil ich gerne
so wäre wie du,
muss ich erst lernen,
auch gerne zu sein
wie ich bin.
Erst dann
kann ich wieder
zu dir kommen
und bei mir sein.
Ich wünsche Dir, euch und Ihnen trotz und mit allem ein
gutes Bei-sich-sein und ein inspiriertes Miteinander,
sonnige Frühlingstage, Vertrauen in das Fragile und das
Geheilte, Freude am Leben, an der Begegnung und am Fest.
Und vielleicht wieder einmal die Erfahrung einer
Auferstehung, nachdem wir die Krone gerichtet haben und
mit Würde weitergegangen sind.
Herzlichst
Wolfgang Weigand
In eigener Sache:
Trauer-Blog
trauer-now.de
Seit einigen Monaten schreibe ich für das deutsche
Trauerportal trauer-now.de Blog-Beiträge. Es geht um die
grossen Themen von Verlust, Abschied, Sterben, Tod und
Loslassen.
Wenn Sie mögen: Zum
neuesten Artikel schauen Sie doch mal
hier nach oder auch auf der
Startseite.
Amanos: Netzwerk freier
Abschiedsfeiern
Als freischaffender Theologe bin ich auch Dozent für die
Ausbildung zum Trauerredner / zur Trauerrednerin für das
Netzwerk Amanos.
Es lohnt sich, einen
Blick auf die Seite zu werfen…
Gedichte
Die Gedichte des vorigen Abschnittes sind noch nicht
publiziert – was aber wohl in einem Gedichtzyklus bald
geschehen wird. Es geht um Langsamkeit,
Nachdenklichkeit, Loslassen, Entschleunigung, Liebe,
Menschen, Politik und Welt. Manchmal im Schneckentempo,
manchmal im Geschwindigkeitsrausch….
Für heute möchte ich gerne nochmals hinweisen auf meine
beiden letzten Bücher:
„Verdichtungen“
–
Aphoristische Gedanken zu
Leben, Liebe und Tod
Schon lange
beschäftigen mich in der Begleitung von vielen Menschen
die grossen Themen des Lebens: Liebe und Tod. In der
Reflexion über sie und ihre Erfahrungen ist eine
Aphorismus-Sammlung entstanden, in denen paradoxe,
humorvolle, philosophische, herausfordernde und zum
Nachdenken einladende Sätze sich auch noch anderen
Themen wie Kunst, Spiritualität, Berufung und Religion
widmen.
Ein kleiner Auszug daraus:
Sich verändern wollen ist eine Sehnsucht des Menschen,
die geweckt wird, wenn er nicht mehr anders kann.
Könnte er anders, würde wohl alles beim Alten bleiben.
Nicht das Ende einer Liebe schmerzt,
sondern der Protest dagegen.
Vielleicht ist es auch mit dem Sterben so?
Man kann nur das verabschieden,
was man genug betrauert hat.
Sonst würde man Lebendiges begraben.
Wenn sich das Leben dem Ende zuneigt,
wird der Winkel zum Aufrechtstehen immer grösser.
Was im Leben wirklich zählt, sind die einzelnen Momente
des Glücks und der Trauer. Also so ziemlich alles.
Sich selber treu bleiben zu können, setzt voraus,
dass man weiß, wer man ist.
Wer sich noch nicht kennt, würde Untreue
einfach mit Abwechslung verwechseln.
Es gibt Gebete, die so inbrünstig sind, dass man sie
kaum überhören kann.
Warum sie Gott dennoch nicht erhört? Vielleicht sind sie
ihm peinlich.
Es scheint einfach, jemand zu hassen, den man einmal
geliebt hat,
aber nahezu unmöglich, jemand zu vergessen, den man
einmal geliebt hat.
Wer den anderen in der Liebe verändern will, macht oft
gleich zwei Menschen unglücklich.
Man kann niemanden zum Bleiben zwingen,
höchstens dahin lieben, dass er nicht gehen muss.
In mancher Trauer liegt der Neuanfang schon begraben.
Wer sterben muss, wird betrauert,
wer sterben will, in Frage gestellt.
Wenn man stirbt, muss man nichts mehr erklären.
Es gibt Menschen, die sich darauf freuen.
»
Details
Und
ebenso 2021 durfte ich mit dem Winterthurer Fotografen
Jürgen Küng den Foto-Lyrik-Band
„Zwischenräume“,
herausgeben.
Wir sind uns mit unseren Fotografien und Gedichten
begegnet, es sind Zwischenräume entstanden, die auf die
eine oder andere Art Spannungen erzeugen, irritieren,
bewegen, berühren. So ist ein grossformatiger Bildband
entstanden mit 99 Fotografien und 99 Gedichten.
Wenn Sie mögen: die
„Zwischenräume“
können direkt
hier
bestellt werden.
Alles Weitere zu meinen Büchern findet sich auf meiner
Website.
Ich bin übrigens weiterhin gerne als
„Stör-Vorleser“
unterwegs. Ich komme zu Ihnen nach Hause und lese auch
vor einem kleinen Publikum in Ihrem Wohnzimmer aus
meinen Büchern. Auch
„Wir bleiben
doch Geschwister“,
„Maria
erscheint“,
„Sterbelos“
und
„Grenzgänger“
können auf dem Programm stehen. Für ein
vergnüglich-inspirierendes Literaturerlebnis können Sie
mich
direkt
kontaktieren!
Impressum:
Wolfgang Weigand
Rituale & Coaching
Mühlestrasse 5
CH-8400 Winterthur
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