NEWSLETTER #27 zum Frühjahr 2023

Wolfgang Weigand, Rituale & Coaching



Aus dem Inhalt:

● Zum Frühling: Von Freunden, Zweifeln und Frühlingsgefühlen
● In eigener Sache: Gedichte, neues Netzwerk, Workshop Lebensqualität



Bedingung

Das Vertraute verlassen,
sich von Ballast befreien,
wieder neu
auf dich zugehen
und dich herzen
und lieben,
als ob nichts sei.

Das schon gerne,
aber wie?

Um über seinen Schatten
springen zu können,
muss man
in der Sonne stehen.

(Alle Gedichte aus: Wolfgang Weigand, Unentwegt, Königshausen & Neumann 2022)
 






Von Freunden, Annahme, Zweifeln und Frühlingsgefühlen 

Karrieresprung

Einer Neugeburt im Denken
gehen oft
schmerzhafte Wehen
voraus.
Deswegen sollten wir
heilsame Gedanken
kultivieren
wie einen Paradiesgarten,
in dem das Schmerzvolle
nicht als Unkraut gilt,
sondern als Dünger,
weil es letztlich
zum Wachstum anregt.

Man könnte es auch einen
Philosophischen Gedankensprung
nennen:
wer glaubt, wird selig.
Wer zweifelt, heilig.


Lieber Leser, liebe Leserin dieses Newsletters

«Wer dir begegnet, ist dein Freund oder dein Lehrer».
Dieser Satz, Buddha zugeschrieben, begleitet mich in den letzten Wochen. Nicht Freund oder Feind wie im üblichen Antagonismus von Schwarz-Weiss, Wir-Ihr, Rechthabende und Unrechthabende, sondern ganz einfach: Freund oder Lehrer. In Zeiten von gesellschaftlichen Polarisierungen, Zensurmechanismen bezüglich anderer Meinungen und Diskriminierungen eine starke Zumutung. Was mich konfrontiert, eigene Überzeugungen vielleicht auch mal schmerzhaft hinterfragen lässt, mich zu Grenzüberschreitungen im Denken und Fühlen herausfordert, ist nichts, was ich abwehren oder gar bekämpfen müsste, sondern etwas, dem ich versöhnlich, neugierig, vielleicht sogar dankbar begegnen kann. Weil es mich weiterbringt.

In seinem Buch «Widerstand zwecklos» (Kösel Verlag 2019) diagnostiziert Andreas Knuf unsere Zeit als eine «Kultur der Nicht-Annahme». Selbstoptimierung, Machbarkeitswahn und Kontrollillusion würden die Art und Weise prägen, wie wir auf das, was uns begegnet, reagieren: nämlich mit innerem Widerstand im psychologischen Sinn. (Politisch-gesellschaftlich bleibt der Widerstand wohl sehr wichtig!). Wenn dieser sich auf unveränderbare Gegebenheiten bezieht, lähmt er die psychische Energie. Das Gegenteil, so Knuf, ist die Annahme als Bereitschaft, das zu nehmen, was gegeben ist, nicht weil wir es gut finden, sondern weil es einfach (zumindest in diesem Moment) so ist. Lieben, was ist: geht das? Seneca sagte fast 2000 Jahre vor Knuf: «Wer Ja sagt zu seinem Schicksal, den führt es voran. Den Widerstrebenden aber schleift es mit.» Im Sinne der Selbstannahme meint Seneca aber wohl keine fatalistisch-phlegmatische Schicksalsergebenheit, sondern eben die Akzeptanz, dass bestimmte Dinge zumindest im Augenblick nicht zu ändern sind. Knuf bezieht sich bei seinen Gedanken zu Widerstand und Annahme übrigens auf die buddhistische Formel: Leid = Schmerz x Widerstand. Schmerz steht hier als Sammelbegriff für alle unerwünschten Gefühle und Widerstand für deren Nicht-Annahme. Und das «x» zeigt die Potenzierung – wahrlich eine unheilvolle Gleichung!

In Veränderungsprozessen im Coaching stosse ich oft auf das Modell «Circle of Influence». Es ist die Kunst zu unterscheiden, was ich direkt beeinflussen und steuern kann - und was ausserhalb meiner Einflussnahme steht. Je mehr ich meine Energie auf das Veränderbare fokussiere, umso mehr Gelassenheit kann ich den Dingen gegenüber zeigen, die ich aktuell nicht verändern kann. Diese gelassene Annahme ist aber nichts, was «auf Knopfdruck» einfach so mit einem Willensentscheid machbar ist, sondern sie geschieht eher prozesshaft – ähnlich, wie wir es beim Trauern oder bei schmerzhaften Veränderungen erleben müssen (oder dürfen!).





Endlosschlaufe
Ich kann nicht glauben,
dass ich
schon wieder zweifle.
Wenn es kaum
Zweifel an etwas gäbe,
müsste ich nicht
daran glauben.

Aber kann es überhaupt
das Eine
ohne das Andere
geben?


Trotz Annahme dessen, was ist und mir begegnet, bleiben jedoch auch die Zweifel wichtig. Immer wieder! Weil der Zweifel uns als «intuitiver Realitäts-Checker» vor vorschnellen Gewissheiten oder auch vor (scheinbaren) Ohnmachtsgefühlen («da ist ja doch nichts zu ändern…») bewahrt. Auch der Zweifel hilft uns manchmal, festgefahrene Überzeugungen oder liebgewordene Gewohnheiten zu hinterfragen. Im aktuellen Newsletter des lesenswerten Forum Ouverture für eine offene Gesellschaft «Lob des Zweifels» heisst es dazu, dass der Zweifel «eine herausragende Errungenschaft der menschlichen Evolution (ist) und als ein ‘siebter Sinn’ unser mündiges Urteilsvermögen dann (aktiviert), wenn die Vieldeutigkeit der Realität von einer dogmatischen Eindeutigkeit bedroht ist.» Und das Forum weisst noch auf die etymologische Bedeutung des Wortes hin: Zweifel stammt vom althochdeutschen Ausdruck «zwifal» ab: Zweifalt (oder auch Vielfalt) als Gegensatz zur Einfalt. In Zeiten von Zensur und Mono- statt Diskursen in der öffentlichen Debatte (Pandemieaufarbeitung, Krieg, Klima, Wokeness, Gendern u.v.m.) – sicherlich eine hilfreiche menschliche Fähigkeit, auch wenn es im Sinne von Voltaire nicht immer einfach ist: «Zweifel ist kein angenehmer, Gewissheit aber ein lächerlicher Zustand.»

Haben wir uns schon zu sehr an den Winterschlaf, an emotionale oder seelische Erstarrung und Kälte gewöhnt? Lösen wir uns immer wieder von alten Gewissheiten und Gewohnheiten! Öffnen wir uns dem neuen Leben, das jetzt kommen will! Den Frühlingskräften und -Säften in der Natur, der Auferstehung des erstarrten Lebens! Haben wir Vertrauen darin, was lange unter der Schneedecke verborgen blieb (auch wenn der reale Schnee im vergangenen Sportwinter lange gefehlt hat…)! Haben wir Mut zur Annahme und zum Zweifeln – immer wieder!



Ich wünsche Dir, euch und Ihnen ein zweifel- und vertrauensvolles Bei-sich-sein und ein wertschätzendes Miteinander, sonnige Frühlingstage, Freude am neuen Leben in der Natur und an kleinere oder auch mal grössere «Karrieresprünge» im Denken. Und immer wieder die Erfahrung, dass Neues kommen darf – frei nach der indianischen Weisheit: Wenn dein Pferd tot ist, ist es Zeit, abzusteigen….

 



In eigener Sache:

  • Kurs/Workshop: Lebensqualität und Patientenverfügung
    Freitag/Samstag, 2./3. Juni 2023
    Winterthur, Mühlestrasse 5

    Es ist ein spannender und lustvoller Prozess, sich in einer kleinen Gruppe mit der Patientenverfügung zu befassen bzw. diese zu erstellen. Nach einigen inspirierenden Durchführungen werde ich den Workshop erneut wieder anbieten, und zwar am Freitag 2. Juni (abends) und am Samstag, 3. Juni , ab 9.30 Uhr an der Mühlestrasse 5 in Winterthur. Wir werden uns mit unseren Vorstellungen von Lebensqualität befassen, aber auch an der Patientenverfügung (nach Vorlage der Krebsliga) arbeiten.

    »
    Näheres zum Workshop sowie zur Anmeldung findet sich hier.
    Ich freue mich auf Deine / Ihre Anmeldung!
     

  • Neue Mitgliedschaft
    Seit kurzem bin ich auch Mitglied im noch jungen Berufsverband Schweizerischer Zeremonienleiter:innen. Ich freue mich sehr auf meine neuen Kollegen und Kolleginnen beim SZL sowie auf den fachlichen Austausch mit ihnen.

    Bei dieser Gelegenheit erwähne ich gerne wieder einmal, dass dies seit über 20 Jahren meine vorrangige Tätigkeit ist: Menschen bzw. Familiensysteme beim Willkommen eines Kindes, in der Liebe und beim Abschied zu begleiten – mit kirchlich unabhängigen, persönlichen, individuellen, phantasie- und gehaltvollen Feiern und Ritualen. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme!
     

  • Neue Gedichte-Sammlung «Unentwegt»
    Es sind zärtliche, doppeldeutige, rebellische, wütende, stille, freche, provozierende, leise, manchmal auch melancholische Gedichte über Leben und Sterben, über Menschen und ihre Zweifel, über die Suche nach Liebe und nach dem Himmel irgendwo.
    «Unentwegt» spannt einen lyrischen Faden von Erinnerungen und Beobachtungen hin zu Hoffnungen und Fragen an das Leben und seine Grenzen, es wird geliebt und «zerliebt», ersehnt und verabschiedet. Es geht um das, was uns wesentlich angeht…
    » Rezension von Thomas Gröbly

    » Bestellungen sind direkt hier bei mir möglich oder auch direkt beim Verlag in Würzburg.
     

  • Ich bin übrigens weiterhin gerne als „Stör-Vorleser“ unterwegs. Ich komme zu Ihnen nach Hause und lese auch vor einem kleinen Publikum in Ihrem Wohnzimmer aus meinen Büchern. Auch «Wir bleiben doch Geschwister», „Maria erscheint“, „Sterbelos“ und „Grenzgänger“ können auf dem Programm stehen. Für ein vergnüglich-inspirierendes Literaturerlebnis können Sie mich direkt kontaktieren!
     

  • Vorankündigung Kabarett und neuer Roman
    Und noch dies als Save-the-Date:
    Nach kurzer Kabarett-Pause bin ich bald wieder mit einem neuen Programm unterwegs. «Schwamm drüber» wird seine Premiere erleben im Rotfarbkeller Aadorf am 3. und 4. November 2023. Dazu und zu den weiteren Auftritten werden in den nächsten Newslettern sowie unter www.schritte.ch noch weitere Informationen folgen.

    Ebenso wird im Herbst / Winter 2023/2024
    mein neuer Roman «Die Auflösung des Georg B.» erscheinen - die Geschichte eines Doppellebens zwischen zwei Familien, das vor dem Hintergrund einer Pandemie zusammenbricht und zur recht überraschenden «Auflösung» führt. Auch dazu bald Näheres.
     



Herzlichst



Wolfgang Weigand
 



Impressum:

Wolfgang Weigand

Rituale & Coaching
Mühlestrasse 5
CH-8400 Winterthur

044 941 00 59
079 359 56 46

mailto:w.weigand@schritte.ch

www.schritte.ch
www.abschiedsfeiern.ch

Versandhinweis:
Die älteren Newsletter sind auf www.schritte.ch aufgeschaltet!

Fotos: Wolfgang Weigand

Möchten Sie keine Informationen mehr von mir erhalten, können Sie sich vom Verteiler abmelden durch Klicken auf den nachfolgenden AUSTRAGELINK.